„Das Gedenken an die Vergangenheit ist immer auch ein Auftrag für die Gegenwart“

Anlässlich der Gedenkstunde an die Pogromnacht vom 9. November 1938 zog Bürgermeister Daniel Zimmermann viele Parallelen zum Hier und Jetzt in Monheim am Rhein

Im Anschluss an die Gedenkstunde wurden rund um das Mahnmal wieder Kerzen entzündet und ein Kranz niedergelegt. Foto(s): Stadt Monheim am Rhein/Thomas Spekowius

Wohl auch aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Welt und deren Ausschläge bis nach Monheim am Rhein gab es an diesem 9. November eine bis auf die Empore gefüllte Altstadtkirche in der Bürgermeister Daniel Zimmermann mahnte: „Die Mitte der Gesellschaft und ihre Prinzipien werden seit jeher von allen Seiten bedroht: Radikale Islamisten, Rechtspopulisten, Linksextremisten wollen uns alle ihre Ideologien schmackhaft machen. Sie richten sich letztlich gegen das Miteinander und die Demokratie.“

Auch viele junge Menschen füllten an diesem 9. November 2023 die Altstadtkirche.

Gleich neben der Altstadtkirche lebte an der Grabenstraße die Familie Herz, von der viele Familienmitglieder in der NS-Zeit ausgegrenzt, verschleppt und ermordet wurden – während ihre Monheimer Nachbarinnen und Nachbarn dabei schwiegen und wegsahen. Von Franz Boehm, dem durch die Nazis ermordeten Monheimer Pfarrer in der benachbarten St--Gereon-Kirche, der 1945 im Konzentrationslager Dachau starb, stammt der Satz „Ich will kein stummer Hund sein“. Monheims Bürgermeister forderte auf: „Auch wir alle sollten keine stummen Hunde sein, egal, ob es um Antisemitismus, Rassismus oder die falsche Darstellung der Geschichte geht.“

Weit über 100 Menschen traten mit Lichtern aus der Altstadtkirche aus, um diese nach dem Ausläuten der Glocken am Mahnmal abzustellen und danach leise auseinanderzugehen.

Begleitet von Alexander Schaefer trug OHG-Schülerin Nicole Ponsa Leonard Cohens „Halleluja“ vor.

Die Gedenkstunde an die schrecklichen Geschehnisse vom 9. November 1938 nahm Monheims Bürgermeister an diesem Donnerstag zum Anlass, in der Altstadtkirche am Kradepohl nicht nur zurückzuschauen und zu erinnern, sondern auch auf die aktuellen Geschehnisse in Israel und Monheim am Rhein zu blicken.

Dabei schlug er den Bogen von eben jenem 9. November vor 85 Jahren, über die jüngsten Monheimer Debatten rund um die Unterbringung von Geflüchteten – mit teilweise offen zutage tretendem Rassismus – bis hin zum 7. Oktober dieses Jahres, an dem Israel von Mordkommandos der radikalen Terrororganisation Hamas in bestialischer Weise überfallen wurde. Zimmermann merkte an, der historische Vergleich sei problematisch, weil das Gedenken an die Vergangenheit zu schnell hinter den Schrecken der aktuellen Lage zurückzutreten drohe. Genau das dürfe jedoch auf keinen Fall geschehen. Dennoch zog er zumindest eine Parallele zwischen dem Menschenhass der Täter und deren brutaler Verblendung.   

Entschieden trat der Monheimer Bürgermeister auch dem Vergleich zwischen dem Angriff auf Israel und dessen Reaktion mit dem Einmarsch in den Gaza-Streifen entgegen sowie dem inzwischen vielfach angestrebten Versuch, diese Gegenoffensive gar in die Nähe der Shoa zu rücken Das Leid der Zivilbevölkerung im Gazastreifen sei unbestritten. „Dieses Leid ist jedoch nicht das Ziel und auch nicht der Zweck israelischen Handelns“, benannte Zimmermann den klaren Unterschied zum menschenverachtenden Überfall der Hamas und letztlich auch zur grauenhaften Ermordung von 6 Millionen Jüdinnen und Juden während der NS-Terror-Herrschaft in Deutschland. Das Leid Unschuldiger in Gaza mit dem Holocaust zu vergleichen, instrumentalisiere diese und jene Opfer, es stelle mit Blick auf die israelische Bevölkerung eine unzulässige Täter-Opfer-Umkehr dar, verharmlose die deutschen Verbrechen und sei nichts anderes als antisemitisch, machte Zimmermann deutlich. Der Kampf gegen den Antisemitismus und das Gedenken an die Vergangenheit seien immer auch ein Auftrag für die Gegenwart.

Ein Auftrag für alle

„Der Nationalsozialismus war offen antisemitisch. Jeder wusste das. Die Wahlprogramme, Ansprachen und Aufmärsche konnte jeder mitbekommen – auch hier vor Ort“, ließ Monheims Stadtoberhaupt auch im Rückblick wenig Platz für Entschuldigungen. Mitschuldig hätten sich deshalb auch die gemacht, die weggesehen haben, obwohl sie etwas hätten tun können. Das Geschehene sei daher ein Auftrag an alle, gegen Antisemitismus und jegliche Menschenfeindlichkeit, gegen Vorurteile und Intoleranz einzutreten. Dabei machten es sich seines Erachtens viele jedoch möglicherweise zu einfach, nun so zu tun, als sei Antisemitismus vor allem ein eingewandertes Problem. Zimmermann: „Nicht Muslime haben historisch gesehen den Antisemitismus erfunden, sondern Christen. Und dieser Antisemitismus ist nicht einfach verschwunden, nur weil man sich gerade – zurecht – Sorgen um islamistisch-extremistischen Antisemitismus macht.“ Islamistischer Antisemitismus in Deutschland könne vielmehr auf vorhandene Grundlagen und Bilder aufbauen.

Das Gedenken an deutsche Verbrechen schließe die Solidarität mit dem nun angegriffenen Israel nicht aus, es bedinge sie sogar. Umgekehrt ersetze die Solidarität das Gedenken aber auch nicht. „Und ganz gewiss kann das Gedenken gegen jeglichen Extremismus, gegen Antisemitismus wie gegen Rassismus wirken“, so Zimmermann. „Ich persönlich beobachte mit Sorge, wie in den letzten Wochen und Monaten über Flüchtlinge gesprochen wird. Politikerinnen und Politiker aus eigentlich allen politischen Richtungen wollen ‚illegale Migration‘ begrenzen, ohne so ehrlich zu sein und zu erwähnen, dass es für die meisten Geflüchteten überhaupt keine legalen Möglichkeiten gibt, nach Deutschland einzureisen.“ Diese Art, vor rechter Stimmungsmache einzuknicken, nennt Monheims Stadtoberhaupt „verantwortungslos“. Und die Auswirkungen sehe man auch in Monheim am Rhein. Etwa, wenn von einem kleinen Teil der Bevölkerung der Eindruck erweckt werde, Geflüchtete seien grundsätzlich ein Problem – und die Mehrheit dazu schweigt.

Zimmermann: „Vor ein paar Wochen sprach ein Vater vom Schulzentrum an der Krischerstraße davon, dass mit den Flüchtlingen in der benachbarten Containeranlage ‚Mord, Vergewaltigung und Entführung‘ einzögen. Das ist eine Einzelmeinung wohlgemerkt, aber ganz offenkundig rassistisch. – Ist das noch die Stadt Monheim am Rhein, die in den letzten Jahrzehnten sehr erfolgreich und immer wieder hunderte Geflüchteter erfolgreich willkommen geheißen und integriert hat? Ich glaube gar nicht, dass der Rassismus größer geworden ist, aber im Moment hört man leider zu viele Menschen, die sich trauen, derartige Vorurteile öffentlich auszusprechen.“ Gleiches gelte wahrscheinlich auch für den aktuellen Antisemitismus.

Die Perspektive der Menschlichkeit

Die beste und einzig sinnvolle Ideologie seien hingegen immer noch die Menschenrechte. Aus einer Perspektive der Menschlichkeit auf Ereignisse zu blicken, diese Menschenrechte und die Menschlichkeit in jeder Situation aktiv zu verteidigen, das sei die Antwort auf Einflüsterungen von allen radikalen und extremen Seiten.

In der Altstadtkirche betonte auch Pfarrer Malte Würzbach das „Nie wieder“ sowie die Wichtigkeit der Zusammenkunft und konnte sich über eine bemerkenswert volle Kirche freuen, in der nicht nur viele junge Monheimerinnen und Monheimer zum Programm beitrugen, sondern auch in den voll besetzten Bankreihen und auf der ebenfalls mitgefüllten Empore Platz genommen hatten, um ein Zeichen zu setzen. 

Erinnert wurde unter anderem an das Schicksal der beiden polnischen Zwangsarbeiter Stefan und Boleslaw Urbaniak. Zudem lasen Schülerinnen und Schüler aus dem Buch der Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer im Gespräch mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, bevor Leonard Cohens durch OHG-Schülerin Nicole Ponsa und Alexander Schaefer großartig vorgetragenes „Halleluja“ in der stillen Kirche erklang.

Im Anschluss an die Zusammenkunft fand am Kradepohl die abschließende Kranzniederlegung mit stillem Gedenken statt. (ts)

Die volle Rede von Bürgermeister Daniel Zimmermann gibt es [PDF]hier.

Neue Nachrichten

Verkehr wird zwischen 11 und 15 Uhr für mehrere Ausbrüche gestoppt

mehr

Die Volkshochschule Monheim bietet gleich zwei Exkursionen in die Natur mit unterschiedlichen Schwerpunkten an

mehr

Am 4. Mai können Interessierte mit der Künstlerin Sina Coirazza neue Pflanzen in die Erde bringen

mehr
Öffnungs-zeiten Telefon Kontakt-formular Mitmach-Portal Monheim-Pass
Öffnungszeiten Bürgerbüro:
Mo: 09.00 bis 19.00 Uhr
Di: 09.00 bis 19.00 Uhr
Mi: 09.00 bis 19.00 Uhr
Do: 09.00 bis 19.00 Uhr
Fr: 09.00 bis 19.00 Uhr
Sa: 09.00 bis 16.00 Uhr


Hier gibt's die kürzesten Wartezeiten!
schließen
Stadtverwaltung & Bürgerbüro:
02173 951-0
Telefonisch erreichen Sie uns zu
folgenden Zeiten:
Mo: 08.00 bis 16.30 Uhr
Di: 08.00 bis 16.30 Uhr
Mi: 08.00 bis 16.30 Uhr
Do: 08.00 bis 19.00 Uhr
Fr: 08.00 bis 12.30 Uhr
schließen
schließen
Mit der Online-Terminvergabe haben Sie die Möglichkeit, längere Wartezeiten zu vermeiden.


Ihr Termin im Bürgerbüro
schließen
Nach oben