Monheim-Lexikon: Krischer, Philipp

Mit Bürgermeister Philipp Krischer begann die Moderne

Statt eines Denkmals setzten ihm die Monheimer ein Straßenschild. Die Krischerstraße hält bis heute die Erinnerung an Bürgermeister Philipp Krischer lebendig. Bereits in Krischers Todesjahr 1925 wurde der Name vergeben. Das war eine postume Danksagung nach fast dreißigjähriger Amtszeit, in der Monheim den Anschluss an die industrielle Revolution schaffte.

Das Protokoll über die Amtseinführung Krischers lässt die Bedeutung, die dieser Mann für die Stadtgeschichte erlangen wird, keineswegs erahnen. Es ist geradezu trocken: „Die Einführung des Herrn Krischer erfolgte in hergebrachter Weise und wurde derselbe durch Handschlag auf seinen früheren Diensteid verpflichtet“, hielt der Schriftführer des Bürgermeistereirats am 26. April 1897 fest. Weniger trocken dürfte es beim „Festessen“ zugegangen sein, dass anschließend „unter Betheiligung der ganzen Bürgerschaft“ stattfand.

Den im Protokoll erwähnten „früheren Diensteid“ hatte Krischer beim Düsseldorfer Regierungspräsidenten abgelegt, wo er seit 1894 Beamtenanwärter gewesen war. In Düsseldorf war Krischer am 19. Oktober 1869 auch geboren worden. Der Sohn eines Kaufmanns schlug die Behördenlaufbahn ein.

Durch die Übernahme des Monheimer Bürgermeisterpostens gelangte Krischer ins Beamtenverhältnis. Beim Amtsantritt war er 27 Jahre alt – einen noch etwas jüngeren Bürgermeister bekamen die Monheimer erst 2009 mit Daniel Zimmermann.

1898 heiratete Krischer Ida Politz, die bis zu ihrem Tode 1956 in Monheim lebte. Drei Kinder gingen aus der Ehe hervor: Ernst (geboren 1901), Elfriede (1902) und Gertrud (1906). Dr. Ernst Krischer trat in die Fußstapfen seines Vaters und war in den 1950er-Jahren Gemeindedirektor von Hückelhoven.

Hauptamtlicher Chef der Verwaltung

Zunächst stand Krischer nur kommissarisch an der Spitze der Monheimer Verwaltung, die im damaligen [intern]Rathaus am Alten Markt untergebracht war. Am 20. September 1897 kam Fritz Dönhoff, Landrat des Kreises Solingen, der schon bei der Amtseinführung dabeigewesen war, zur endgültigen Anstellung Krischers erneut an den Rhein. Die Ratsherren entschieden sich einstimmig für ihn und setzten sein Jahresgehalt auf 2600 Mark fest.

Zudem gewährten sie ihm Zulagen für Heizung, Reinigung und Dienstreisen. Krischer, der zunächst im Rathaus wohnte, ließ sich 1913 an der Schulstraße 26 eine schmucke Villa bauen. Nach Krischers Tod diente das Gebäude bis zu seinem Abriss 1982 als Postamt.

Im Jahr von Krischers Amtsantritt hatte die Bürgermeisterei, bestehend aus den Gemeinden Monheim und Baumberg, 2885 Einwohner, die von Landwirtschaft, Fischerei und bodenständigem Handwerk lebten. Krischer erkannte die Rückständigkeit beider Orte, an denen der technische Fortschritt nahezu vorbeigegangen war. Es gab kein Stromnetz, kein Leitungsnetz für Trinkwasser, keine Eisenbahn und nur wenige Industriebetriebe wie die Kettenfabrik Pötz & Sand.

Schon ein Fahrrad war eine Errungenschaft. Krischer hatte eins, für dessen Kauf hatte ihm der Gemeinderat im September 1898 einen Kredit von 220 Mark gewährt.

Stromversorgung und Gleislose Bahn

Dem Mangel an heute selbstverständlichen öffentlichen Einrichtungen half Krischer rasch ab. Noch im Jahr seines Dienstantritts ist er an der Gründung der Feuerwehr beteiligt. Er setzt sich für einen besseren Hochwasserschutz ein; 1898 wird der Brückenschleher Deich erhöht. Durch die Einrichtung einer „öffentlichen Fernsprechstelle“ wird Monheim im selben Jahr ans [intern]Telefonnetz angeschlossen.

Straßen und „Communalwege“ werden ausgebaut. Der Weg von Monheim nach Baumberg wird 1898 mit einem Aufwand von 6000 Mark verbreitert, der Steinweg (heute Freiheit) wird neu gepflastert, was 7000 Mark kostet. Sämtliche Straßen in Monheim und Baumberg erhalten 1909 amtliche Namen und Hausnummern. 1901 beschließt der Gemeinderat die Gründung einer [intern]„Volksbibliothek“; Krischer beteiligt sich persönlich an der Auswahl der Bücher.

Ob Krischer auch bei der Gründung der „Großen Monheimer Karnevalsgesellschaft” anno 1902 die Fäden zog, sei dahingestellt, jedenfalls profitierte auch der organisierte Frohsinn vom allgemeinen Aufschwung während Krischers langer Amtszeit. Im Jahr darauf wurde der Grundstein für das St. Josef-Krankenhaus gelegt, 1919/20 wurde es bereits erweitert.

Und 1903 ist Monheim die erste Gemeinde im Landkreis Solingen, in der elektrische [intern]Lichter angehen. Nach dem Bau einer Niederspannungsleitung durch die Firma Siemens-Schuckert werden Haushalte und Betriebe vom Bergischen Elektrizitätswerk (Solingen) mit Strom versorgt.

1904 schließlich ein weiteres Großprojekt, das mit Krischers Namen verbunden ist: Die [intern]Gleislose Bahn nimmt die Beförderung von Gütern und Personen zwischen Frohnstraße und Bahnhof Langenfeld auf, der damals noch zum Monheimer Gemeindegebiet gehörte. Aus Kostengründen war auf die Verlegung von Schienen verzichtet worden, doch da sich die Fahrzeuge als zu schwer erwiesen und große Straßenschäden verursachten, wurden von 1908 bis 1912 doch noch Gleise für den [intern]Personen- und Güterverkehr verlegt, die Monheim, Baumberg, Hitdorf und Rheindorf miteinander verbanden.

Ära Krischer stand für Aufstieg

Auch als Wirtschaftsförderer profilierte sich Krischer. Am Monheimer Rheinufer bauten die Mineralölwerke Rhenania (nachmals Shell) von 1913 bis 1916 eine Schmierölfabrik. Der Großbetrieb nutzte die neue Schienenbahn und baute sich zudem einen eigenen Hafen und eine Wohnkolonie (heutige Heinrich-Späth-Straße). Im strukturschwachen Baumberg begann 1902 eine Filiale der Hildener Weberei Kampf & Spindler in einem Neubau an der Berghausener Straße mit der Produktion von Kleiderstoffen.

1910 wurde der Spielverein Monheim gegründet, der Vorläufer des [extern]1. FC Monheim. „Man spielte und tranierte fleißig auf dem Sandberg, denn noch fehlte ein geeigneter Sportplatz. Bürgermeister Krischer machte dem bis dahin wilden Verein ein Ende. Er lenkte das Vereinsgeschehen in geordnete Bahnen und war Förderer und Fürsprecher des ersten ordentlichen Sportplatzes in den Rheinwiesen“, berichtete 1980 die Festschrift zum siebzigjährigen Bestehen des FC.

Der Monheimer Gemeinderat hatte unter Krischers Vorsitz am 24. April 1911 beschlossen, dem Spielverein den von ihm beantragten Platz zu überlassen, „auch soll er passend eingezäunt werden“. Weiter heißt es in der Sitzungsniederschrift, für Vereinszwecke solle der Saal des Gastwirts Hubert Esser (nachmals Festhalle Bormacher) angemietet werden. Dabei war wahrscheinlich weniger an gesellige Veranstaltungen, als an Übungsmöglichkeiten gedacht.

Die Liste der Neuerungen aus der Krischer-Zeit ließe sich beinahe beliebig fortsetzen – der 1910 vorgelegte Verwaltungsbericht „Die Bürgermeisterei Monheim vom 1. April 1897 bis Ende 1909“ ist eine beeindruckende Leistungsbilanz. 1909 erhielten die ersten 200 Haushalte in Monheim und 150 in Baumberg ihr Trinkwasser aus den Leitungen, die das soeben gegründete Verbandswasserwerk der Gemeinden Richrath, Reusrath, Monheim, Baumberg, Hitdorf und Rheindorf mit Sitz am Schleiderhof verlegt hatte.

Vor dem Anschluss an die Wasserleitung versorgten sich die Bewohner aus Brunnen. Zunächst waren es Ziehbrunnen, in die Eimer hinabgelassen wurden, dann wurden im 19. Jahrhundert Pumpen eingebaut. Überreste einer solchen Wasserpumpe haben sich in [intern]Baumberg an der Hauptstraße in Höhe Haus Nr. 26 erhalten (beim Umbau der Hauptstraße 2017 demontiert, Restaurierung durch den Baumberger Allgemeinen Bürgerverein geplant).

1910 folgte die Gründung der Sparkasse, die Krischer im Jahr zuvor beantragt hatte. Fritz Hinrichs (1890–1976) fasste in seinem Buch „Monheim – Von der alten Freiheit zur jungen Industriestadt“ (S. 236) Krischers Erfolgsbilanz so zusammen: „In den ersten 15 Amtsjahren des Bürgermeisters Krischer erfreute sich die Bürgermeisterei Monheim eines langsamen, aber stetigen Aufstiegs. Diese gesunde Entwicklung ist durch den ersten Weltkrieg und seine Folgen ins Gegenteil verkehrt worden.” An die Stelle von Prosperität traten Lebensmittelmangel und Geldentwertung. Krischer selbst war in den Kriegsjahren 1914 bis 1918 Bahnhofskommandant im westfälischen Haltern. Aber auch in dieser Zeit leitete er oftmals die Ratssitzungen von Gemeinde und Bürgermeisterei.

Der parteilose Krischer stand zweifellos in der Tradition des kaiserlichen Obrigkeitsstaats. Wie seine Einstellung zur Weimarer Demokratie war, ist aus den Unterlagen im Stadtarchiv nicht recht ersichtlich. „Mein Mann hat wegen seiner nationalen Gesinnung in der Zeit nach 1918 viele Verfolgungen erlitten”, so 1933 Krischers Witwe im „Fragebogen zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933“. Worin die „Verfolgungen” bestanden, wird indessen nicht klar. Die Äußerung muss sicher auch vor dem Hintergrund des beginnenden „Dritten Reichs” gesehen werden; für Ida Krischer ging es um die Bestätigung ihres Rentenanspruchs.

Gegen Kirchturmsinteressen

Krischer kehrte nach dem Ende des Ersten Weltkriegs nach Monheim zurück und blieb engagierter Kommunalpolitiker. Bei der Gründung des Bauvereins Monheim-Baumberg (heute: Wohnungsgenossenschaft Monheim am Rhein) im Jahr 1919 übernahm Krischer den Aufsichtsratsvorsitz.

Weit vorausschauend war, dass sich Krischer 1921 in einer Denkschrift nachdrücklich für den Zusammenschluss der Gemeinden Monheim und Baumberg einsetzte. „Nur kleine Kirchtumsinteressen“ sprächen gegen die Fusion, schrieb er. „Dass die Interessen Baumbergs in der neuen Gemeinde vernachlässigt werden könnten, ist […] nicht anzunehmen. […] Wenn noch in einzelnen Bevölkerungskreisen Baumbergs mit dem Gedanken umgegangen wird, dass auch ein Zusammenschluss mit Garath in Betracht komme, so ist hierzu zu sagen, dass Garath mit seinen wenigen, kaum 300 Einwohnern […] keinen Rückhalt für ein modernes Gemeinwesen bietet.“

Bereits im November 1913 hatte die „Zusammenlegung der Gemeinden Monheim und Baumberg“ auf der Tagesordnung des Monheimer Gemeinderats gestanden. Für das Ergebnis der Beratung, zu der eigens der Solinger Landrat Dr. Adolf Lucas angereist war, genügte im Protokoll ein einziger Satz: „Bei der Besprechung stellte sich heraus, daß eine Verschmelzung der beiden Gemeinden noch keinen Anklang fand.“ Bürgermeister Krischer erlebte die Vereinigung von Monheim und Baumberg nicht mehr. Baumberg gab seine Selbstständigkeit erst 1951 auf.

Der Verbesserung der Infrastruktur widmete sich Krischer auch während der schweren Wirtschaftskrise in den Zwanzigerjahren. So erfolgte der Ausbau der Rheinuferstraße zwischen Blee und Hitdorf als Notmaßnahme durch Arbeitslose.

Krischers Tod am 23. Juni 1925 kam unerwartet. Der 55-jährige, der in Monheim bleibende Spuren hinterließ, wurde mitten aus der Arbeit gerissen. Zu einer gemeinsamen Trauerkundgebung kamen am Tag darauf die Gemeinderäte von Monheim und Baumberg zusammen. Der Erste [intern]Beigeordnete Josef Stefen sagte in seinem Nachruf:

„[…] Wie der Verstorbene die Entwicklung der Bürgermeisterei gefördert hat, wissen wir alle. Die Zukunft wird die Früchte seiner Arbeit noch deutlicher zeigen. Uns allen hat der Verstorbene nahegestanden, wir alle wissen, wie er stets bestrebt war, Allen alles zu sein, ohne Unterschied des Ranges, der Partei, ob hoch ob niedrig, ausgestattet mit einem beispiellosen Gerechtigkeitssinn. […] Leider wurde seine Kraft in den letzten Jahren durch ein tückisches Leid gebrochen; trotzdem arbeitete er weiter bis er sozusagen in den Sielen starb.”

Auf dem katholischen Friedhof wurde Krischer beigesetzt. Der Grabstein befindet sich heute an der Umfassungsmauer in der Nähe der Kapelle an der Friedhofstraße.

Die Rettung der Krischerstraße

Kurz vor der Stadtwerdung Monheims wäre es um die Krischerstraße beinahe geschehen gewesen. Auf Antrag der SPD beschloss der Gemeinderat am 15. Juni 1960 mit 13 Stimmen bei einer Enthaltung, aus der Krischerstraße eine „Berliner Straße“ zu machen. Damit sollte in der Zeit des „Kalten Krieges“ die Verbundenheit mit Berlin bekundet werden.

Doch diesen Beschluss hatten die Ratsmitglieder ohne die Bürger gemacht. Fritz Dormann (1902–1986), Wirt der Gaststätte An d’r Kapell, initiierte eine Unterschriftensammlung gegen die Umbenennung. Schon nach wenigen Tagen hatten mehr als zweihundert Einwohner unterzeichnet. Ziel der Resolution, aus der die „Düsseldorfer Nachrichten“ am 23. Juni 1960 zitierten, war die Wiedereinführung des alten [intern]Straßennamens. „Wir haben nichts gegen eine Benennung einer Straße mit dem Namen unserer Reichshauptstadt. Im Gegenteil! Wir protestieren aber gegen die Umbenennung einer Straße, die den Namen des Bürgers trägt, der den Grundstein legte für den Wohlstand, der jetzt in Monheim herrscht.“

Am 6. Oktober 1960 hoben die Volksvertreter ihren Beschluss wieder auf. Die Krischerstraße blieb die Krischerstraße. Und 1966 kam auch Berlin zu seinem Recht: Die Erschließungsstraße in das Neubaugebiet [intern]„Monheim Süd“ erhielt den Namen „Berliner Ring“.

Zuetzt geändert am 27. November 2020
Quellen
Stadtarchiv Monheim am Rhein: Akten 10, 11, 13, 14, PA 432; Zeitungsausschnitte 133-20, 611-00, 700-Kr.
Die Bürgermeisterei Monheim vom 1. April 1897 bis Ende 1909 [Verwaltungsbericht], 1910.
Hinrichs, Fritz: Monheim in wirtschafts- und verwaltungsgeschichtlicher Sicht [auf dem Umschlag: Monheim. Von der alten Freiheit zur jungen Industriestadt], Eigenverlag der Stadt Monheim, 1962.
Reimann, Wolfgang R.; Frenz, Eckehard: Die Bahnen des RWE. Eine wirtschafts- und technisch-historische Darstellung, Energiewirtschaft und Technik Verlagsgesellschaft, Gräfelfing 1975, S. 97.
Überarbeitete und erweiterte Fassung eines Beitrags in Journal 19, Jahrbuch des Kreises Mettmann 1999/2000.

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